Die Schweizer Firmen sind inzwischen nicht nur für die Bedeutung rund um das Thema zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit sensibilisiert – sie werden auch aktiv.
«Sie erreichen uns zwischen Montag und Donnerstag von 8 bis 12.00 und von 14 bis 17 Uhr sowie am Freitag von 8 bis 15 Uhr»: Immer öfter vertröstet am Freitagnachmittag in Schweizer Büros ein automatisches Band die Anrufer – wie es in Deutschland schon lange üblich ist. Am Freitagnachmittag funktioniert mancher Schweizer Betrieb auf Sparflamme. Wer doch arbeiten möchte (oder muss), kann dies in aller Seelenruhe tun; das Telefon stört nur höchst selten. Allerdings will der Freitagnachmittag gut geplant sein, wenn der Arbeitseifer nicht gebremst werden soll. Wer am Freitagnachmittag kurzfristig Auskünfte von Geschäftspartnern oder öffentlichen Ämtern benötigt, besitzt gute Chancen, auf den Montag vertröstet zu werden.

Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz mit einer 42 Stundenwoche damit vor allem in der Industrie heute ganz weit vorne. Nur die von der gesetzlichen 35-Stunden-Woche betroffenen französischen Industriearbeitnehmer «malochen» mit 38,4 Stunden geringfügig kürzer als die Deutschen mit ihrem Schnitt von 39 Wochenstunden. Briten, Polen und Griechen kommen dagegen pro Woche auf 42 Stunden und mehr – und die Italiener bringen es immerhin auf 40,5 Stunden.
Der Druck ist gross
«Der Wunsch nach einer verkürzten Arbeitszeit am Freitagnachmittag ist bei den Mitarbeitern äusserst gross», so die gemeinsame Erfahrung vieler privater und öffentlicher Arbeitgeber aus ihrem Berufsalltag. Viele Arbeitgeber sind durchaus dafür, dass den Mitarbeitern am Freitagnachmittag frei gegeben wird, soweit es die Erfordernisse zulassen: «Dadurch kann sogar Motivation geschaffen werden.» Aber nicht in allen Ämtern sei ein freier Freitagnachmittag so ohne weiteres möglich.
Die Aussicht auf ein längeres Wochenende kann sich ohne weiteres motivierend auswirken. Zum Beispiel für Pendler, die am Wochenende zu ihren Familien zurück müssen und sich dafür unter der Woche voll in ihren Job hineinhängen. «Wieso soll ich am Freitagnachmittag nicht einmal frei nehmen, wenn es die Arbeit zulässt und ich sowieso an den anderen Tagen mehr als acht Stunden gearbeitet habe?», fragen sich viele.
Familienfreundliche Arbeitszeiten
Sie werden aufseiten der Arbeitnehmenden am stärksten nachgefragt. Dadurch können sie ihr Arbeitspensum besser nach den Bedürfnissen der Familie ausrichten. Darüber hinaus möchten mehr als 70 Prozent der Schweizer Arbeitgeber mit ihrer familienorientierten Personalpolitik die Kosten senken. Dahinter steckt die Überlegung, dass Beschäftigte produktiver und motivierter arbeiten sowie seltener wegen Krankheit vom Arbeitsplatz abwesend sind, wenn sie sich nicht zwischen privaten und dienstlichen Verpflichtungen zerreissen müssen und noch etwas Zeit finden, auf das eigene Wohlbefinden zu achten. Wer beispielsweise seinen Nachwuchs morgens entspannt in den Kindergarten bringen kann und dann etwas später ins Büro kommen darf, der erledigt seine Aufgaben deutlich konzentrierter als Eltern, die sich ständig abhetzen müssen.
Eine klare Antwort auf die Frage, ob sich die Schweiz so viel Wochenende auf Dauer leisten kann, gibt es nicht: Dort, wo an viereinhalb Tagen 40 produktive Stunden geleistet werden, kann sich auch die Schweiz das lange Wochenende leisten. Dort, wo von Montag bis Freitag krampfhaft Stunden abgesessen werden, allerdings nicht. Jedes Unternehmen und auch jedes Amt der öffentlichen Verwaltung muss da für sich persönlich ehrliche Gewissenserforschung betreiben.